„Wir sind der First Mover“ – Christian Wiens von GetSafe im Interview

InsurTech überrollt die Versicherungsbranche – oder auch nicht? Kaum ein Thema wurde in den letzten Monaten kontroverser und emotionaler diskutiert. Während die einen ein hohes disruptives Potenzial bescheinigen, sprechen andere von Intransparenz, Abzocke und unreifen Geschäftsmodellen.

Und der Ton wird rauer: Makler und Versicherer greifen InsurTechs frontal an und auch der Konkurrenzkampf der Start-ups untereinander nimmt zu. Vor allem die digitalen Versicherungsmakler stehen dabei im Fokus. Mein Ausgangspunkt für ein Interview mit Christian Wiens, Gründer und Geschäftsführer von GetSafe.

Was unterscheidet GetSafe vom klassischen Makler?

Der große Unterschied liegt darin, dass unsere Kunden ihren Versicherungsschutz zu jeder Zeit und an jedem Ort überprüfen lassen können, ohne lästigen Papierkram. Zu unserer Zielgruppe gehören:

  • Kunden, die selbst entscheiden wollen, wann sie beraten werden
  • Kunden, die sich selbst informieren wollen und trotzdem nicht auf kompetente Beratung verzichten wollen
  • Kunden, die nicht die Zeit oder Muße haben, einen Berater nach Hause einzuladen
  • Kunden, die laufenden und mehrmaligen Kontakt zu schätzen wissen

Ein normaler “analoger” Vermittler kann den regelmäßigen Kontakt in der Regel gar nicht mehr stemmen, da er einen großen Teil seiner Arbeit mit Fahrten zum Kunden verbringt. Neben Vor- und Nachbereitung von Kundenterminen, Produktselektion, Gesprächen mit Versicherern und Maklerbetreuern, Schulungen und der Bearbeitung von Schadensfällen bleibt kaum noch Zeit zur Beziehungspflege. Sämtliche interne Prozesse bei GetSafe sind, im Gegensatz zu einem normalen Versicherungsvermittler, soweit möglich automatisiert bzw. digitalisiert. Vor der eigentlichen Beratung beantwortet der Kunde wesentliche Fragen zu seinem Wunsch in der App. Zeit, die wir uns in der Beratung einsparen, außerdem entfallen Reisewege.

Aber am Ende des Tages wollen doch alle Geld verdienen – auch Ihre Kundenberater.

Die Interaktionsrate unserer Kunden mit ihren Versicherungen ist zehn Mal höher als die eines Kunden eines klassischen Maklers. Das zeigt die hohe Akzeptanz unseres Angebotes. Beim Abschluss unterschiedlicher Verträge bei verschiedenen Vermittlern verlieren viele Kunden zudem schnell den Überblick. Mit der GetSafe-App haben Kunden einen Ansprechpartner für alle Versicherungen und volle Kontrolle durch Einsicht aller Versicherungen in der App. Der Kundenservice ist telefonisch oder per Chat zu erreichen. Kunden erwarten heutzutage, dass ihnen alle Interaktionsmöglichkeiten immer zur Verfügung stehen, um mit Versicherern so umgehen zu können, wie sie es aus anderen Lebensbereichen gewohnt sind. Ferner werden unsere Kundenberater nicht auf Provisionsbasis vergütet, sondern beziehen ein Festgehalt und darüber hinaus einen variablen Bonus, der sich an der erreichten Kundenzufriedenheit orientiert. Für sie steht die optimale und bedarfsgerechte Absicherung des Kunden und nicht die Anzahl abgeschlossener Verträge im Vordergrund.

Clark, Knip, Asuro & Co. – digitale Versicherungsmakler schießen wie Pilze aus dem Boden. Was unterscheidet GetSafe von der Konkurrenz?

Wir waren das erste Unternehmen, das einen digitalen Versicherungsmanager auf den deutschen Markt gebracht hat. Unser Erfolg mit GetSafe hat in den vergangenen Monaten einige Nachahmer gefunden. First Mover zu sein ist jedoch unser Vorteil. Während andere InsurTechs noch in der Findungsphase sind, sind unsere Prozesse, unsere Technologie, unser Kundenservice sowie die Beziehungen zu Versicherern deutlich ausgereifter. Unser Wettbewerber Knip beispielsweise hat selbst die Aussage getätigt, dass sie “eigentlich keine Beratung machen”. Für uns steht die Beratung der Kunden jedoch ganz klar an erster Stelle.

In einer aktuellen Studie der Versicherungsforen Leipzig wird Ihr Geschäftsmodell als wenig innovativ, mit mittlerem Kundennutzen und mit hohem konfrontativen Marktverhalten gegenüber etablierten Anbietern bewertet. Was erwidern Sie?

Wie der Studie zu entnehmen ist, erfolgten die Bewertungen des Netzdiagramms subjektiv und spiegeln nicht zwingend den Blick des Marktes wider. Daher möchten wir diese Studie nicht bewerten. Unser Innovationsprozess steht noch ganz am Anfang. Wir haben es innerhalb kürzester Zeit geschafft, mit einem herkömmlichen Modell sehr einfach viel Innovation im Sinne des Kunden zu schaffen. Wir sind zu 100 Prozent auf die Bedürfnisse unserer Kunden fokussiert und richten unseren Service danach aus. Unsere Berater stehen täglich telefonisch oder per Chat in Kontakt mit unseren Kunden. Viele schätzen es, durch die App wieder Übersicht und Kontrolle über alle ihre Verträge zu haben.

Dass die Interaktionsrate bei GetSafe bis zu zehn Mal höher als die eines traditionellen Maklers zum Kunden ist, zeigt die hohe Akzeptanz der App und den Stellenwert, den das Thema Digitalisierung mittlerweile eingenommen hat. Sicherlich weisen wir darauf hin, dass das bisherige System in der Versicherungsbranche Defizite hat. Viele traditionelle Versicherungsmakler sind aber an ihrer aktuellen Situation gar nicht unbeteiligt: Viele haben keine besonders starke Bindung zu ihren Kunden und sind einfach nicht digitalisiert genug – das beantwortet auch Fragen nach der Überlebensfähigkeit vieler Vermittler. Viele Makler werden zudem älter und haben Schwierigkeiten, Nachwuchskräfte zu finden. Und gleichzeitig ändert sich das Verhalten der Kunden: Sie werden immer digitaler.

Mangels einer standardisierten Schnittstelle für den Informationsaustausch zwischen Makler und Versicherer unterstelle ich, dass das Einholen der Vertragsdaten noch hochgradig manuell erfolgt. Wie wollen Sie bei dem angestrebten ambitionierten Wachstum die notwendige Skalierbarkeit des Geschäftsmodells sicherstellen?

Die Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells ist absolut gegeben. Unsere Prozesse sind heute schon (teil)automatisiert und überlegen. Wir arbeiten eng mit den Versicherungsgesellschaften zusammen und wissen, dass die Digitalisierung und Automatisierung ihrer Prozesse für sie in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielt. Das begrüßen und unterstützen wir sehr.

Die Abwicklung von Schadenprozessen ist oftmals sehr aufwendig. Ist Ihr Geschäftsmodell bei einem kumulierten Auftreten von arbeitsintensiven Schadenfällen nachhaltig?

Ja, das ist es. Die Abwicklung von Schadenprozessen ist Teil unseres Services. Kundenservice hat bei GetSafe höchste Priorität. Gerade in Stresssituationen wollen wir unseren Kunden als starker Partner zur Seite stehen. Wir sind davon überzeugt, durch guten Service Vertrauen bei unseren Kunden zu schaffen und sie nachhaltig zu binden. Viele Kunden, die wir im Schadensfall schnell und zuverlässig unterstützt haben, konsultieren uns später gerne bei einer Anfrage für eine neue Versicherung.

Müssen Sie nicht davon ausgehen, dass die Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit und zur Datenweitergabe seitens der Versicherer massiv abnimmt, wenn die ersten Kündigungen eintreffen?

Kündigungen im Sinne von Vollmachtswidersprüchen kommen bei uns nur im unteren einstelligen Bereich vor. Gemeinsam mit den Versicherern gehen wir damit auch sehr offen um und arbeiten an Lösungen, um die Aufwände beidseitig möglichst gering zu halten. Gleichzeitig optimieren wir unsere Informationen in der App, um “ungewollte” Betreuungswechsel zu vermeiden.

Wie aggressiv unterbreiten Sie Optimierungsangebote und wie stellen Sie sicher, dass hier wirklich das Wohl des Kunden im Vordergrund steht?

Sie unterstellen, unser Geschäftsmodell basiere auf reiner Optimierung bzw. Umdeckung von Verträgen. Das stimmt so nicht. Als Makler ist es grundsätzlich unsere Pflicht, dem Kunden dabei zu helfen, einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz zu haben und bei sich ändernden Lebenssituationen anzupassen. Ebenso kommen wir dem Wunsch einiger unserer Kunden nach, gezielt bestimmte Tarife hinsichtlich Sparpotenzial oder Leistungsumfang zu überprüfen. Hier entscheidet der Kunde, ob und welche Optimierung er wünscht. Von einer systematischen Umdeckung zu sprechen, entspricht nicht der Realität.

Hat der Kunde immer die letzte Entscheidungsmacht oder nutzt GetSafe die erteilte weitreichende Vollmacht auch ohne explizite Nachfrage beim Kunden?

Wir würden niemals ohne die explizite Beauftragung eines Kunden handeln und ohne dessen Einwilligung Verträge kündigen, neu abschließen oder verändern. Dies ist auch klar in unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt.

 

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Christian Wiens studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt. Gemeinsam mit Marius Blaesing gründete er Ende 2013 GetSafe. Zuvor war er Gründer und Geschäftsführer von Gourmeo.com. Christian Wiens verfügt aufgrund seiner Qualifikation und Erfahrung über ein fundiertes Wissen in den Bereichen Unternehmertum, Technologie, Digitalisierung, innovationsgesteuerte Produktentwicklung und Vertriebsstrategie von Versicherungsprodukten.




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