Die Niedrigzinsphase als Innovationsmotor?

Niedrigzinsen werden vor allem als Schaden für die Sparer diskutiert. Warum Banken die Niedrigzinsphase sehr viel mehr fürchten müssen, erklärt unser Gastautor Prof. Franz Nees.

„Warum Niedrigzinsen so gefährlich für Verbraucher sind“, so titelt der Stern in der aktuellen Ausgabe 17/2016 und verweist auf ein kürzlich in der Zeitung Die Welt abgedrucktes Interview mit Postbank-Chef Frank Strauß, in dem dieser eine komplette Überarbeitung des Gebührenmodells der Bank und ein mögliches Ende des kostenlosen Girokontos ankündigte.

Was vordergründig wie eine erneute Hiobsbotschaft für die Privatkunden erscheint, offenbart in Wahrheit, dass ein uraltes Geschäftsmodell dauerhaft ins Wanken gerät.

Niedrigzinsphase stellt alte Gesetze auf den Kopf

Schon von jeher ist das Zinsdifferenzgeschäft eine wesentliche Ertragssäule des Bankgeschäfts.

„Borrow at 4 %, lend out at 6 % and be on the golf course at 4”,

lautete das alte Grundprinzip des Londoner Bankers. Nun müssen Banken schon länger nichts mehr für neue Einlagen bezahlen und das Volumen der Altverträge im Spargeschäft ist mittlerweile stark geschrumpft. Es gehen aber auch die Kreditzinsen zurück und das mittlerweile noch schärfer. Solange die Zinsen sich im Gleichschritt nach unten bewegen, sind die Auswirkungen für die Zinsspanne überschaubar.

Allerdings ist die Null bei den Passivzinsen faktisch schon lange erreicht und negative Einlagenzinsen werden den Anlegern zwar immer wieder angedroht, aber im Privatkundengeschäft sind sie zumindest noch nicht Realität. Dagegen sinken die Kreditzinsen immer noch und haben z.B. im Hypothekengeschäft mittlerweile in vielen Fällen einen Wert von 1,39 Prozent (Interhyp-Zinsbericht vom 7. April 2016) erreicht. Die Erträge gehen mittlerweile also stärker zurück als die Zinskosten.

Blogserie: Zwischen rückläufigen Erträgen und technologischen Revolutionen – Optionen für Banken in der Nullzinsära

Talsohle im Zinsgeschäft ist noch nicht erreicht

Diese für die Banken immer bedrohlicher werdende Entwicklung wird durch einen strukturellen Tatbestand in der Bankbilanz verschärft: Die Fristen auf der Aktivseite sind in aller Regel deutlich länger als die Fristen auf der Passivseite. Mit anderen Worten: Die Kreditzinsen sind über einen längeren Zeitraum festgeschrieben als die Einlagezinsen. Diese Fristentransformation zwischen Aktiv- und Passivgeschäft gehört zu den Aufgaben des Bankensektors. In der aktuellen Situation hatte das am Beginn der Niedrigzinsphase zur Folge, dass die Zinskosten eher schneller zurückgingen als die Zinseinnahmen. Die Einlagen mit einer kürzeren durchschnittlichen Vertragslaufzeit wurden relativ schnell an die niedrigeren Zinsen angepasst und haben zunächst die Kostenseite erleichtert.

Dagegen haben Hypothekenkredite aus dem Jahr 2010 mit zehn Jahren Laufzeit vielfach noch eine Vier vor dem Komma und auch 2011 wurden noch Kreditverträge in dieser Größenordnung abgeschlossen. Dadurch ist die Talsohle auf der Einnahmenseite im Zinsgeschäft der Banken noch keineswegs erreicht. Nach wie vor ist es so, dass im Immobilienbereich jeden Monat Kredite getilgt werden, die drei oder vier Prozent Zinsen getragen haben und durch Neugeschäft ersetzt werden, das vielleicht noch 1,5 Prozent Zinsen einbringt.

Dies wird gestützt durch öffentlich zugängliche Zahlen, so weist z.B. die Deutsche Bank einen Zinsüberschuss aus, der zwar nicht den Top-Wert aus dem Jahr 2011 erreicht, aber auf dem Niveau von 2010 und 2012 liegt und deutlich über den beiden vergangenen Jahren. Der Grund ist dabei nicht bei den Zinserträgen zu suchen, die rückläufig sind, sondern bei den Zinskosten, die schneller zurückgegangen sind als die Erträge. Nun sind wir aber in dem Teil der Niedrigzinsphase angekommen, in dem die Zinskosten kaum noch sinken, die Zinserträge aber immer weiter.

Neue Geschäftsmodelle sind gefragt

Für die Banken heißt das: neue Erträge generieren oder Kosten senken. Letzteres hat in den vergangenen Jahren bereits vielfach stattgefunden und wird nicht mehr unbedingt Quick Wins bereithalten – diese Potenziale sind bereits gehoben. Aber nach wie vor geben Banken absolut gesehen viel Geld aus und nicht alles davon ist zwingend erforderlich.

Vielschichtiger ist der Bereich der alternativen Einnahmequellen. Dabei wird es notwendig sein, alte Wege zu verlassen. In der einfachen Form und kurzfristig wird sich das vor allem in der Bepreisung bisher kostenloser Leistungen bemerkbar machen. Hier ist vor allem der Zahlungsverkehr zu nennen. Kaum ein Institut oder eine Bankengruppe, die nicht mehr oder weniger laut über das Ende des kostenlosen Girokontos nachdenkt. Prohibitiv hohe Gebühren für beleghafte Überweisungen gehören ebenfalls in diese Kategorie. Dennoch sind dies eher die vulgären Varianten, die Problemlösung zu suchen.

Es ist ohne Zweifel intelligenter, dort anzusetzen, wo neue Leistungen geschaffen werden. Und zwar solche, die einen Mehrwert liefern und für die der Kunde (gerne) bereit ist zu bezahlen. Innovationen im Banking gibt es durchaus, viele werden allerdings nicht von Banken, sondern von FinTechs vorangetrieben. Das macht die Herausforderung nicht kleiner.

Welche konkreten Szenarien zur Steigerung der Erträge und Senkung der Kosten denkbar sind, werde ich in den kommenden Wochen intensiver betrachten und diskutieren – ein besonderer Fokus wird dabei auf den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Strategien liegen.

 

Bildquelle: Shutterstock

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