Bargeld: Ein Abgesang auf den Abgesang

Erstaunlicherweise wird in den letzten Wochen viel über das auf den ersten Blick langweiligste Thema im Banking diskutiert: Bargeld. Genauer gesagt über dessen Abschaffung. Ein Realitätscheck.

Wie sehr die Deutschen am Bargeld hängen, hat im Mai der Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger zu spüren bekommen. Er hatte in einem Interview dessen Abschaffung ins Gespräch gebracht – und einen Shitstorm geerntet.

Startschuss für eine Debatte, in deren Verlauf mir drei plakative Hauptargumente immer wieder begegnet sind. Zeit, diese Argumente auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen:

  1. Eine Abschaffung des Bargeldes bringt – zusammen mit negativen Zinsen – die Wirtschaft in Schwung.

Der Realitätscheck

Wenn es kein Bargeld mehr gibt, kann man es nicht mit nach Hause nehmen oder im Tresor deponieren. Man wird gezwungen, es auf seinen Konten zu belassen und zuzusehen, wie es tagtäglich weniger wird oder aber man konsumiert. Die Argumentation klingt schlüssig. Persönlich denke ich allerdings, dass Ausweichstrategien greifen werden: ob kostenfreie Girokonten, etablierte „Wertspeicher“ wie z.B. Gold oder Kryptowährungen – Optionen gibt es hier mehr als genug.

2. Ohne Bargeld gibt es weniger Kriminalität.

Der Realitätscheck

Illegale Praktiken wie Schwarzarbeit, Drogenhandel, Hehlerei oder Steuerhinterziehung sowie die Terrorismusfinanzierung werden ohne Bargeld erschwert und damit insgesamt unattraktiver. Nur weil etwas schwieriger wird, verschwinden aber nicht die Gründe. Gerade Personen mit krimineller Energie werden sich schnell neue Alternativen für die Bezahlung einfallen lassen.

3. Die Digitalisierung macht Bargeld überflüssig.

 Der Realitätscheck

Die Digitalisierung als Totengräber des Bargelds. Naja, Kreditkarten gibt es schon seit Jahrzehnten und bisher haben sie es nicht geschafft, das Bargeld zu verdrängen. Allein durch eine Digitalisierung der Kreditkarte oder durch die Hinterlegung der entsprechenden Informationen in Apps wird sich dies auch nicht ändern. Vor kurzem wollte ich meine Fahrt mit myTaxi bequem per App bezahlen. Allerdings hatte ich das Passwort nicht mehr so richtig parat und nach einigen Fehlversuchen war ich froh, auf Bargeld zurückgreifen zu können – Berliner Taxifahrer sind nicht die geduldigsten Zeitgenossen.

Das momentane Sammelsurium von Bezahlverfahren stimmt mich ebenfalls nicht unbedingt positiv. Mit Blick auf die jungen Wilden fehlt es sowohl an Standards als auch an in der Massenpraxis bewährten Verfahren. So sind z.B. Kyrptowährungen noch keine Konkurrenz: Schätzungsweise gibt es aktuell rund 700, die bekannteste ist Bitcoin. Mit ca. 110.000 Transaktionen weltweit hat sie aber noch keine echte Relevanz. Warum, erklärt ein Beitrag des Bitcoin-Experten Friedemann Brenneis für t3n: Demnach ist es selbst in der Bitcoin-Bar „Room 77“ in Berlin einfacher, sein Bier mit Bargeld als mit der digitalen Währung zu bezahlen.

Auf lange Sicht geht selbst die Bundesbank davon aus, dass der Anteil der unbaren Zahlungen zunehmen wird. Treiber sind allerdings nicht innovative Zahlverfahren wie z.B. Peer-to-Peer-Zahlungen zwischen Privatpersonen (ich persönlich halte Lendstar & Co. durchaus für sehr charmant, scheitere in meinem Umfeld allerdings daran, dass niemand außer mir diese Apps nutzen möchte…), sondern es ist der zunehmende Internethandel mit seinen Bezahlungen per Überweisung, Lastschrift oder Kreditkarte. Gemäß einer Bundesbankstudie werden aktuell 53 Prozent der Transaktionen am Point of Sale (POS) bar getätigt – nimmt der Internethandel zu, verschiebt sich dieser Wert logischerweise nach und nach. Trotzdem bleibt ein Fakt bestehen: Laut einer Studie des IT-Branchenverbands BITKOM kann sich aktuell nur ein Drittel aller Deutschen vorstellen, in nahezu allen Alltagssituationen bargeldlos zu zahlen.

SEPA Instant Payments als Gamechanger?

Keine Frage, das bargeldlose Zahlen ist im Vormarsch – allerdings in kleinen Schritten. Auch weil Bargeld (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) für Händler immer noch das kostengünstigste Zahlverfahren am POS ist. Interessant wird sein, ob die von der Europäischen Zentralbank und dem European Retail Payments Board geplanten SEPA Instant Payments (Überweisungen, die realtime gesettelt/garantiert werden) einen Wandel einläuten. Sie könnten den Zahlungsverkehr verbilligen und damit für Händler auch bei kleinen Beträgen attraktiv. Aktuell werden Zahlungen bis 20 Euro zu über 90 Prozent bar vorgenommen. Da mit einer Einführung der SEPA Instant Payments nicht vor 2018 zu rechnen ist, bleibt uns das Bargeld allerdings definitiv noch ein paar Jahre als Goldstandard erhalten.

Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion rund um das Thema Bargeld? Habe ich wichtige Argumente auf der „No-Cash-Seite“ vergessen? Ich freue mich auf Ihr Feedback!

 

Bildquelle: Shutterstock

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