Auf immer und ewig? Bargeld – des Deutschen liebstes Kind

Die Deutschen wollen beim Bezahlen die Kontrolle behalten. Das geht offenbar nur über Bargeld. Sie glauben zwar, dass bargeldlose Zahlmethoden in Zukunft deutlich steigen werden, sehen das für sich selber aber (noch) nicht

Bereits im März 2018 hat mein Kollege Ole Barkmann aufgezeigt, dass das Bargeld noch immer das beliebteste Zahlungsmittel der Deutschen ist. Die Gründe hierfür sieht er einerseits in der Mentalität der Deutschen begründet, andererseits aber auch in der Frage einfacher und flächendeckend verfügbarer Infrastrukturen. Da gerade in letzter Zeit viele Veränderungen und  Lösungsansätze im Payment-Bereich stattfinden – Instant Payment, kontaktloses Bezahlen, Mobile Payment, Voice Payment etc. – und dies die Optionen für bargeldloses Bezahlen vielschichtig erweitert, ergibt es für mich Sinn, diesem Thema weiterhin hohe Aufmerksamkeit zu schenken.

Anonymität und digitale Fingerabdrücke

Die Gründe für die Bevorzugung von Scheinen und Münzen hat mein Kollege ebenfalls ausführlich in seinem Blogbeitrag dargestellt: Sicherheit vor finanziellem Verlust, guter Überblick über die Ausgaben, Einfachheit der Nutzung sowie Vertrautheit und schnelle Abwicklung. Grundsätzlich hat sich daran nichts geändert. Dennoch kristallisiert sich heraus, dass die Hauptgründe  sich verschieben.

Im Zuge der Digitalisierung befürchten die Deutschen, mit der Nutzung elektronischer Zahlungsmittel ihre Anonymität zu verlieren und zu viele digitale Fingerabdrücke zu hinterlassen. Also gläsern zu werden. Darüber hinaus besteht die Angst vor technischer Abhängigkeit, wie Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Friedrich Schneider im Rahmen seines Vortrags „Bargeld – Ein Stück geprägte Freiheit“ (organisiert durch die Friedrich-Naumann-Stiftung) festgestellt hat. Wenn IT-Systeme abstürzen oder der Strom ausfällt, dann sind elektronische Zahlungen nicht mehr möglich. Das gute alte Bargeld hingegen funktioniert immer.

Deutschland tut sich mit der Digitalisierung grundsätzlich schwer, insofern überraschen diese Ängste nicht. Laut World Cash Report 2018 von G4S wurden 80%  aller Zahlungstransaktionen in Deutschland im Jahr 2017 bar bezahlt (laut der Bundesbankstudie „Zahlungsverhalten in Deutschland“ waren es 74%). Digitalisierungsvorreiter wie Schweden (20%), Niederlande (45%) oder auch Estland (48%) verabschieden sich immer mehr vom Bargeld und sind hier deutlich weiter vorne.

Fokus Schweden

Blicken wir kurz nach Schweden, wo das Bargeld so gut wie keine Rolle mehr spielt. Was ist hier anders? Nun, die Regierung hat bereits vor langer Zeit die Verantwortung für die Zahlungsinfrastruktur an die großen Privatbanken übertragen, die nicht nur besser ihre Geldautomaten-Netzwerke – und damit auch Kosten – steuern können. Die sieben größten Banken haben auch gemeinsam eine P2P-App für einen schnellen elektronischen Geldtransfer namens Swish entwickelt, die innerhalb kürzester Zeit weite Verbreitung fand. Die Schweden sind recht technik-affin und – man mag es kaum glauben – haben Vertrauen in ihren Staat, ihre Banken sowie in das Finanzsystem. Datenschutz spielt bei ihnen keine besonders große Rolle.

In Deutschland ergibt sich hingegen ein komplett anderes Bild. Datenschutz ist bei uns Thema Nr. 1, der Versuch einer gemeinsamen Zahlungs-App ist mit Paydirekt, Kwitt, Cringle, Moneybeam etc. nicht besonders gut gelungen und das Vertrauen, insbesondere in unsere Banken, ist nach zahlreichen Enttäuschungen quasi nicht mehr vorhanden. Insofern verständlich, dass die Deutschen neuen Zahlmethoden auch sehr skeptisch gegenüber stehen. Bei der Infrastruktur haben wir ein Henne-Ei-Problem: Kunden fragen elektronische Zahlmethoden nicht oft an, weshalb die Banken sich hierzu keine Gedanken machen. Wenn die Banken sich keine Gedanken machen und die Infrastruktur nicht bereitstellen, besteht auch nicht die Möglichkeit, neue Zahlmethoden zu nutzen.

Von Bargeldabschaffung und Bargeldobergrenzen

Eine Bargeldabschaffung wird aktuell nicht diskutiert, weil absolut unrealistisch. Die kürzlich angekündigte Abschaffung des 500 Euro-Scheines in diese Richtung zu interpretieren, ist eher eine Verschwörungstheorie. Die Diskussionen hinsichtlich einer Bargeldobergrenze laufen noch. Anders als zwölf der 28 EU-Staaten hat Deutschland noch keine Obergrenze eingeführt. Wohl auch, weil a) bekannt ist, wie sehr die Deutschen ihre Scheine lieben und b) die Argumentation, dass Schattenwirtschaft und Geldwäsche reduziert werden könnten, nicht wirklich belegbar ist.

Im Grunde geht es gar nicht darum, das Bargeld abzuschaffen. Selbst der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom), der in seinem Positionspapier fordert, dass an jedem Point-of-Sale mindestens eine elektronische Bezahlmethode möglich sein soll, sagt, dass es nicht um die Bargeldabschaffung geht, sondern darum, dass jeder Bürger jederzeit eine Wahlmöglichkeit haben soll.

Die Zukunft bleibt spannend

Ich persönlich finde die Möglichkeiten, die sich uns heute – und noch mehr in Zukunft – bieten, was Bezahlmethoden angeht, sehr spannend. Mit dem kontaktlosen Bezahlen lassen sich heute schon kleinere Beträge in wenigen Sekunden transferieren. Bei größeren Beträgen bieten – zumindest aus meiner Sicht – Kartenzahlungen eine deutlich bessere Übersicht, was wofür ausgegeben wurde. Wenn man Mobile Payment nutzt, dann spart man sich z.B. das Portemonnaie.

Ich möchte gern mit den Worten meiner Kollegin Elisabeth Schoss-Leppert schließen, die einen interessanten Zukunftsausblick gibt:

„Brötchen morgens beim Bäcker zahlt man kontaktlos mit der Girocard, die Bratwurst beim Fußballspiel wird vor der Pause per App bestellt und bezahlt, das Netflix-Abo mit PayPal und das Getränk abends im Fitness-Center läuft über die Garmin-Uhr. Ist das Produkt erst digitalisiert, liegt das digitale Bezahlen nahe.“

Gleichwohl ist mir bewusst, dass ich – wie die Schweden – wenig Angst vor meiner eigenen Digitalisierung habe und damit nicht das Gros der Bevölkerung repräsentiere. Ich glaube aber trotzdem, dass die junge Generation, der es heute ähnlich geht, die auch ganz anders mit bestimmten Themen aufwächst, diesen neuen Möglichkeiten offener gegenüber stehen wird, wenn sie denn spruchreif sind und funktionieren.

 

Bild: Shutterstock

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