Zahlungsverkehr: Werden Banken überflüssig?

Bill Gates hat es prophezeit: „We need banking but we don’t need banks anymore.” FinTechs haben die Revolution des Zahlungsverkehrs eingeläutet, den Banken mangelt es an Innovationen.

Warum noch Zeit und Nerven verschwenden, um in Shopping Malls dem neusten Schrei hinterherzujagen? Ich entscheide mich fast immer für die Couch-Variante mit wenigen Klicks: Heute bestellt, morgen geliefert.

Möglich sind diese Abwicklungsgeschwindigkeiten durch Bezahlsysteme wie PayPal, die dem Händler den Zahlungsstrom in Echtzeit ankündigen. Was die B2C-Shoppingwelt ohne jegliches Zutun der Banken revolutioniert hat, ist im B2B noch längst nicht angekommen. Hier werden 60 Prozent der Zahlungseingänge manuell bearbeitet, was eine Fehlerquote von 25 Prozent bei der Zuordnung der Zahlungen zur Folge hat. Auch wenn viele Geschäftsprozesse auf Realtime-Verarbeitung umgestellt werden konnten, der Zahlungsverkehr funktioniert noch wie vor 20 Jahren: langsam und gemächlich.

Traxpay besetzt die Lücke

Den Bedarf für Realtime Payment im B2B hat das Startup Traxpay erkannt und ein System zur Abwicklung von Zahlungen für mittelständische Unternehmen entwickelt: Es ist ein Echtzeit-Bezahlsystem (ähnlich wie PayPal), das zusätzlich die Möglichkeit bietet, alle transaktionsrelevanten Daten in einem beliebigen strukturierten oder unstrukturierten Format mitzuschicken. Ebenfalls angeboten wird ein Käuferschutz. Kern der Lösung ist eine SAP-zertifizierte Workflow-Engine, die Änderungen (wer, was, wann, wo, warum, wie) an einer Zahlung automatisch überwacht und steuert. Gleichzeitig synchronisiert sie sämtliche Daten, Veränderungen bei den Geschäftsbedingungen und die Transaktion. Traxpay nimmt die Rolle eines Mittlers ein, der den Lieferanten realtime über die ausgelöste Zahlung informiert und transaktionsrelevante Daten übermittelt. Zahlungsein-/-ausgänge werden automatisch den Forderungen und Verbindlichkeiten zugeordnet. Manuelle Buchungen entfallen.

Verschlafen Banken die Entwicklung?

Mit seinem Geschäftsmodell attackiert Traxpay einen absoluten Kernbereich der Banken, den Zahlungsverkehr. Das Unternehmen, das übrigens indirekt über den Main Incubator von der Commerzbank mitfinanziert wird, lebt von Transaktionsgebühren und den Gebühren für den Käuferschutz. Auch wenn man dem FinTech kein echtes Eruptionspotenzial (= Potenzial, den Banken Umsätze in nennenswerter Größenordnung abzutrotzen) zusprechen kann – das Marktpotenzial ist hoch. Zu den Nutzern zählen heute bereits große B2B-Portale wie z.B. grosshandel.eu. Die Banken sind bis auf die eigentliche Überweisung außen vor. Und haben wieder einmal die Chance vertan, durch innovative Lösungen neue Erträge zu generieren. Ähnlich wie im B2C…

PayDirekt: Hoffnungsschimmer der Banken?

PayPal hatte schon längst Einzug in den E-Commerce gehalten, da waren Banken noch immer in einer Art Schockstarre gefangen. Erst rund zehn Jahre nach dem Markteintritt des US-Players waren sich Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen einig, die Vorherrschaft über das Girokonto zu verteidigen und kündigten den Bezahlservice PayDirekt an. Noch im Herbst 2015 wurde ein kurzfristiger Starttermin als eher unwahrscheinlich eingeschätzt. Die HypoVereinsbank (HVB) belehrte jedoch alle Zweifler eines Besseren: am 3. November 2015 wurde PayDirekt allen HVB-Kunden zur Freischaltung im Online-Banking angeboten. Mittlerweile haben zahlreiche Geschäfts- sowie die Volks- und Raiffeisenbanken PayDirekt integriert. Damit erhärtet sich auch der Verdacht, dass die von Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon geäußerten Sicherheitsdenken Teil einer Verzögerungstaktik waren, die auf dem verspäteten Einstieg bei PayDirekt fußen. Kunden der Sparkassen werden PayDirekt erst im Frühsommer 2016 nutzen können.

Allen positiven Entwicklungen zum Trotz bleibt die große Frage: Wer braucht den Dienst heute noch? Warum sollen Kunden und Händler einen weiteren Dienstleister aufnehmen, wenn die Bezahlvorgänge im Internet komfortabel, sicher und kostengünstig über PayPal, Sofortüberweisung, Rechnungskauf, Kreditkarte & Co abgewickelt werden können? Potenzial könnte sich noch im Mobile Payment abzeichnen. Hier hat sich noch kein Standard durchgesetzt und der große Durchbruch lässt auf sich warten. Eine nutzenstiftende Lösung könnte das mobile Bezahlen per Smartphone auch für deutsche Kunden attraktiv machen, aber just diese Lücke klammert PayDirekt aus. Zudem ist man auf den nationalen Markt beschränkt.

Neuer Schwung durch die EZB?

Alternative Dienste übernehmen nach und nach angestammte Aufgaben der Bank – manche sind bereits im Massenmarkt angekommen, andere besetzen eine Nische. In Summe machen sie den Banken aber durchaus Konkurrenz und kratzen an ihren Erträgen. Ohne eine Erhöhung der Innovationsgeschwindigkeit laufen Finanzinstitute Gefahr, den Anschluss zu verlieren. In das Thema Echtzeitzahlungen kommt aktuell zumindest etwas Bewegung: Die EZB fordert Realtime Payments und hat den paneuropäischen Zahlungsinfrastrukturbetreiber EBA Clearing auf den Plan gerufen. Erste Länder wie Großbritannien und Dänemark haben bereits solche Systeme eingeführt, die EZB befürchtet nun zu Recht eine Fragmentierung des Echtzeitzahlungsverkehrs. SEPA Instant Payments sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung – allerdings ist frühestens 2018 mit ihrer Einführung zu rechnen.

Es droht die Degradierung

Aktuell haben Banken der Konkurrenz im Zahlungsverkehr also nichts entgegenzusetzen. PayDirekt steckt in den Kinderschuhen, ist auf Deutschland beschränkt und klammert das Thema Mobile Payment aus. Instant Payments kommen frühestens 2018 ins Spiel. Auf der anderen Seite bieten FinTechs Kunden neue Banking-Erlebnisse und degradieren das Girokonto zum Objekt im Hintergrund. Banken liefern in diesem Szenario lediglich eine Referenzadresse namens IBAN, die zum Geldein-/-ausgang benötigt wird. Somit hat sich die Prophezeiung von Bill Gates schon (fast) erfüllt.

 

Bildquelle: Shutterstock

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