Jedem Trend seinen Gegentrend: Barzahlen vs. Online-Payment

Wer im Internet einkauft, kann seit Kurzem auch in bar bezahlen – an der Supermarktkasse. Möglich macht dies das Start-up Barzahlen. Ein Konzept mit Zukunft?

Wir sind stets connected. Wir chatten, liken, googeln, sharen, twittern, shoppen online. Ein Leben ohne Internet und vor allem ohne unser Smartphone ist kaum noch denkbar.

Die Online-Welt ist ein integraler Bestandteil unseres Alltags: Unsere Konten führen wir online und beim Shopping geben wir gerne unsere Bankdaten preis, um bequem per Lastschrift zu bezahlen. Wer braucht da noch Bargeld – könnte man sich fragen.

Bye, bye Bargeld?

Mein Kollege Ole Barkmann hat ihn kürzlich angestimmt: den Abgesang auf den Abgesang des Bargelds. Obwohl immer wieder ins Gespräch gebracht, scheint eine Bargeld-Abschaffung zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch. Natürlich, der zunehmende Internethandel mit seinen Bezahlungen per Überweisung, Lastschrift oder Kreditkarte beschleunigt unbare Zahlungen. Aber die Digitalisierung als Totengräber? Bisher eher nicht. Im Gegenteil: Naturgemäß produziert jeder Trend auch einen Gegentrend. Wer Bedenken in puncto Sicherheit hegt oder vielleicht über gar kein Konto verfügt, dem bleibt die schöne neue Online-Konsumwelt verschlossen. Genau diese Lücke bedient der Zahlungsdienstleister Barzahlen.

Kunden können bei über 7.500 Online-Shops sowie Gaming- und Reiseanbietern einkaufen und im Einzelhandel bezahlen. Gleiches gilt für Rechnungen von Energieversorgern, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Der Kunde erhält einen Barcode per E-Mail, SMS oder Post, mithilfe dessen er an der Kasse eines stationären Partners seine Rechnung begleicht. Aktuell gibt es rund 6.000 solcher Zahlungsstellen, mit an Bord sind u.a. die DM-Drogeriemärkte, Real-Supermärkte und Telekom-Shops.

Eine attraktive Nische?

Aber hat dieser Service eine Zukunft? Ja, sagt die aktuelle Payment-Studie des Kölner Handelsinstituts ECC. Laut Die Welt bestätigt sie Barzahlen einen unerwarteten Erfolg. Außerdem hat sich die REWE Digital GmbH als neuer Kooperationspartner Anteile in unbekannter Höhe gesichert. Ab Frühjahr 2016 wird das Bezahlsystem in den rund 3.000 Märkten angeboten. Anvisiert wird eine Zielgruppe, die Online-Bezahlmethoden aus Sicherheitsgründen oder Datenschutzbedenken ablehnt oder über kein Girokonto verfügt. Konkurrenz macht die Lösung damit in erster Linie den verschiedenen Zahlungsdienstleistern. Die Frage ist, ob sich dieser Gegentrend zur Online-Bezahlung langfristig behaupten kann. Denn die Nachteile liegen auf der Hand: Was, wenn in der Nähe des Wohnorts keine Anlaufstelle ist? Zudem macht sich der Kunde bei diesem Verfahren von Öffnungszeiten abhängig.

Auf das richtige Pferd gesetzt?

Das Unternehmen selbst scheint sich nicht auf eine Nischenzielgruppe verlassen zu wollen und hat das Geschäftsmodell erweitert: neue Zielgruppe sind die Banken. Deren Kunden können in den angeschlossenen Einzelhandelsfilialen Geld abheben bzw. auf ihr Konto einzahlen. Außerdem erweitert der Service in Zukunft auch das Leistungsspektrum anderer FinTechs. Nutzer der Girokonto-App Number26 können bei Real und Penny bald die Geldautomatenfunktion an der Kasse nutzen. Dass das Konzept Anklang findet, zeigte sich auch beim diesjährigen Digital Banking Award: Barzahlen landete mit 76 Prozent der Stimmen auf dem ersten Platz. Man mag sich streiten, ob es sich tatsächlich um eine „herausragende digitale Innovation“ handelt – hier würden mir andere FinTechs einfallen – auf alle Fälle aber ist es clever. Finanzinstitute profitieren von einer (kostengünstigen) Filialerweiterung und einem Mehr an Kundenservice. Hier bewahrheitet sich auch wieder eine These unserer FinTech-Studie: Das Marktpotenzial von FinTechs, die sich als Zulieferer der Banken verstehen, ist hoch. Barzahlen-Gründer Sebastian Seifert erwartet in den kommenden zwölf Monaten ein Wachstum im zweistelligen Bereich. Ob Bargeld jedoch mittelfristig das richtige Pferd ist – ich bin gespannt…

 

Bildquelle: Shutterstock

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