Die Deutsche Bundesbank hat Mitte Februar zum vierten Mal ihre Studie „Zahlungsverhalten in Deutschland“ vorgelegt, die die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten untersucht. Das wenig überraschende Ergebnis: Die Deutschen setzten weiter auf Scheine und Münzen – 74 Prozent der Transaktionen wurden 2017 mit Bargeld getätigt. Gegenüber 2014 ist das ein Rückgang um fünf Prozentpunkte, dafür legten Debitkarten um vier Prozent zu.
Zahlverfahren ist vom Betrag abhängig
Welches Zahlverfahren zum Einsatz kommt, hängt in erster Linie von der Höhe des zu zahlenden Betrages ab: Beträge bis 50 Euro werden fast ausschließlich bzw. überwiegend bar bezahlt, zwischen 50 und 500 Euro zu rund 45 Prozent mit Debitkarte. Über 500 Euro ist die Streuung am größten, hier ist die Debitkarte mit 34 Prozent der Spitzenreiter, gefolgt vom Bargeld mit 25 Prozent, 19 Prozent nutzen eine Überweisung, 9 Prozent ihre Kreditkarte und 3 Prozent ein Internetbezahlverfahren. Somit ergeben sich folgende Anteile am Gesamtumsatz:
- Bargeld: 48 Prozent
- Debitkarten: 35 Prozent
- Kreditkarten: 5 Prozent
- Internetbezahlverfahren: 4 Prozent
- Kontaktlose Kartenzahlungen: 1 Prozent
Im Durchschnitt hat jeder Deutsche übrigens 107 Euro im Geldbeutel und damit kaum weniger als noch 2008 (118 Euro). Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (88 Prozent) möchte auch weiterhin mit Bargeld bezahlen und lehnt eine Bargeldabschaffung oder -einschränkung ab.
Der europäische Vergleich
Die Ergebnisse der Bundesbank-Studie machen deutlich, dass sich das Bezahlverhalten zwar stetig, aber dennoch nur langsam ändert. Trotzdem ist es ein Trugschluss, das Festhalten am Bargeld als deutsches Phänomen abzustempeln. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld – u.a. in Portugal, Spanien, Italien, Malta, Österreich, Griechenland, Zypern und Slowenien ist der Anteil der Bartransaktionen höher. Aber keine Frage, gegenüber Skandinavien oder den Niederlanden stecken wir noch in den bargeldlosen Kinderschuhen. Insgesamt ist Cash aber nach wie vor dominierendes Zahlungsmittel: Aktuell erfolgen im Schnitt 79 Prozent der Zahlungen an Kassen der Eurozone in bar, nur 19 Prozent mit Karten.
Mentalitäts- und Infrastrukturproblem
Bei der Wahl des Zahlungsmittels greifen laut der Bundesbank-Studie v.a. diese fünf Faktoren: Sicherheit vor finanziellem Verlust, guter Überblick über die Ausgaben, Einfachheit der Nutzung, Vertrautheit sowie Wahrung der Privatsphäre. Danach folgen mit deutlichem Abstand der schnelle Bezahlvorgang, breite Einsatzmöglichkeiten und finanzielle Vorteile. Kein Wunder also, dass Bargeld in der Gunst der Verbraucher nach wie vor mit weitem Abstand vorne liegt. Alternativen wie Kontaktlos- oder Internetbezahlverfahren wird dagegen misstrauisch begegnet.
Forscht man nach den Ursachen für die deutsche Liebe zum Cash stößt man schnell auf zwei Dimensionen: emotionale Zurückhaltung und infrastrukturelle Probleme. Ein Ergebnis, zu dem u.a. auch die Studie Global Payments 2017 der Boston Consulting Group kommt.
Emotionale Zurückhaltung
- Neue Zahlverfahren werden generell skeptisch gesehen. Dementsprechend findet auch nur eine langsame Verhaltensänderung statt – aktuell ist vor allem eine Verschiebung zugunsten der Debitkarte zu beobachten. Zahlverfahren wie PayPal, Sofortüberweisung oder paydirekt spielen nur im E-Commerce und Versandhandel eine signifikante Rolle und hier in erster Linie mangels kostenloser Alternativen.
- Bargeld wird als wichtig angesehen, um Kinder an den Umgang mit Geld heranzuführen. Dies ist zwar auch mit Guthabenkarten oder digitalen Taschengeldkonten (z.B. OKIKO) möglich, allerdings ist die Nachvollziehbarkeit hier doch geringer.
- Bargeld ermöglicht Anonymität.
- Verbraucher halten bargeldlose Zahlungen aus Angst vor Cybercrime größtenteils für nicht sicher.
Infrastrukturelle Probleme
- Mangelnde Akzeptanz: In Deutschland werden Karten oft nicht angenommen; vor allem in kleinen Läden. Zudem gelten für Kartenzahlungen oft Mindestgrenzen von fünf oder zehn Euro. Somit mangelt es jenseits der großen Shopping Malls an Terminals zum bargeldlosen Zahlen.
- Die Bargeldversorgung ist in Deutschland noch kostengünstiger als alternative Zahlverfahren. So belaufen sich die Kosten für eine Barzahlung auf 36 Cent, eine Zahlung mit Debitkarte kostet hingegen 82 Cent.
- Zwar gibt es einige FinTechs, die mit innovativen Zahlverfahren an den Start gegangen sind – aber wer will im täglichen Leben schon mehrere verschiedene Bezahl-Apps auf seinem Smartphone haben?
- Die deutschen Banken ziehen nicht an einem Strang und zeichnen sie sich mit Blick auf alternative Zahlverfahren nicht durch eine hohe Innovationsgeschwindigkeit aus.
Vor allem die infrastrukturellen Probleme verdeutlichen, dass die deutsche Liebe zum Cash teilweise auch ein hausgemachtes Phänomen ist: Der Einsatz unbarer Zahlungsinstrumente ist in der Praxis viel zu oft weder bequem noch einfach und wird seitens der Banken in den seltensten Fällen aktiv gepusht.
Echtzeitzahlungen als Game Changer?
Wenn man den Blick nach Schweden richtet, zeigt sich hier im Vergleich zu Deutschland ein ganz anderes Bild: Dort ist die bargeldlose Gesellschaft schon fast Realität geworden. Gut 80 Prozent aller Zahlungen im Handel laufen über Kreditkarten ab. Die Stockholmer Verkehrsbetriebe akzeptieren genauso wenig Bargeld wie der Parkautomat oder die Kollekte in der Kirche. Hierzu hat wesentlich beigetragen, dass die sechs schwedischen Großbanken gemeinsam die Mobile Payment App „Swish“ entwickelt haben, die, mit einer intuitiven Bedienung jenseits von BIC und IBAN, Zahlungen in Echtzeit – sprich Instant Payments – ermöglicht.
In der EU sind diese sekundenschnellen Überweisungen seit dem 21. November 2017 möglich, in Deutschland bisher nur bei der Hypovereinsbank und laut heise online muss ein Großteil der Bankkunden auch noch eine Weile warten: Demnach sollen sie bei den Sparkassen im Sommer flächendeckend angeboten werden, bei den meisten privaten Banken voraussichtlich erst im kommenden Jahr.
Interessant ist, dass in der Bundesbank-Studie 38 Prozent aller Befragten angeben, dass es bei Überweisungen zu lange dauert, bis das Geld auf dem Konto gutgeschrieben ist. Es stellt sich die Frage: Welche Potenziale haben Instant Payments und haben sie das Zeug, die Überweisung als Zahlungsmittel in Deutschland zu pushen? Diesen Fragen werde ich in meinem nächsten Beitrag nachgehen.
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